WeiberSalon

Ah, ma petite madeleine!

Keine Sorge, auch wenn Eure Begleitung diese Worte in Eurer Gegenwart ausspricht, hat sie (oder er) nicht etwa Euren Namen vergessen. Jedenfalls nicht, wenn Ihr Euch gerade in Frankreich befindet.

 

Auch ist damit nicht etwa ein kleines, süßes Mädchen namens Madeleine gemeint und schon gar nicht Prinzessin Madeleine von Schweden (obwohl es natürlich durchaus möglich ist, dass ihr Verlobter Chris O´Neill sie hin und wieder so nennt). Aber wir bewegen uns gerade nicht in königlichen, sondern eher in kulinarischen Kreisen.

 

Denn gemeint ist damit - zumindest in Frankreich - ein kulinarischer Genuss, der einen schlagartig in die eigene Kindheit zurückversetzt, weil es genauso lecker schmeckt wie früher bei Muttern. Die Redewendung stammt von einem französischen Sandgebäck in Form einer Jakobsmuschel - den Madeleines, denen Marcel Proust in seiner „Suche nach der verlorenen Zeit“ ein literarisches Denkmal setzte:

 

„Sie ließ daraufhin eines jener dicklichen, ovalen Sandtörtchen holen, die man „Petites Madeleines“ nennt und die aussehen, als habe man dafür die gefächerte Schale einer Jakobs-Muschel benutzt. Gleich darauf führte ich, ohne mir etwas dabei zu denken, doch bedrückt über den trüben Tag und die Aussicht auf ein trauriges Morgen, einen Löffel Tee mit einem aufgeweichten kleinen Stück Madeleine darin an die Lippen. In der Sekunde nun, da dieser mit den Gebäckkrümeln gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in mir vollzog. Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand und dessen Grund mir unbekannt blieb, hatte mich durchströmt.“ Der Geschmack dieser kleinen Kuchen erfüllt hier den Ich-Erzähler mit einem starken Glücksgefühl und er erinnert sich seiner längst vergessen geglaubten Kindheit.

 

1755 soll die erste gebacken worden sein, und zwar auf Schloss Commercy in Lothringen. Dort kam es, bei einem Festbankett des Königs von Polen, Stanislas zu einem Streit zwischen Hofpatissier und Chefkoch über das Dessert. Infolge dieses Streits sucht der Patissier das Weite, doch zum Glück aller hatte die Zofe Madeleine Paulmier die Idee, ein Dessert nach einem Rezept ihrer Grossmutter zuzubereiten.

 

Das kleine Gebäck aus Zucker, Mehl, Butter, Eiern und Zitronenschale kam gut an und wurde kurzerhand nach der cleveren Zofe "Madeleine de Commercy" genannt. Stanislas wiederum gab das Rezept an seine Tochter Marie weiter, die Frau von Ludwig dem XV., und so wurde es am Hof von Versailles und in ganz Frankreich bekannt.

 

Doch ohne die schwärmerischen Worte Prousts wären die Madeleines wohl kaum über
die Grenzen Frankreichs hinaus so berühmt geworden. Doch - so heißt - wollte Proust anfänglich Zwieback in seinen Tee tauchen - ein „pain grillé“. Zum Glück klingt das Wort „Madeleine“ sehr viel melodischer als „pain grillé“. In Deutschland werden die kleinen Sandgebäcke übrigens auch Bärentatzen genannt, was allerdings längst nicht so appetitlich klingt.

 

Für alle, die es einmal selbst versuchen möchten, hier das französische Originalrezept (für 8 Personen):

150 g Butter im Wasserbad zergehen lassen. 3 ganze Eier, 3 Eigelb und 200 g Zucker

schaumig rühren. 250 g gesiebtes Mehl und das Backpulver hinzufügen. Gut mischen.

Nach und nach die zerlassene Butter und einen Kaffeelöffel Orangenblütenwasser mit

der Spachtel hinzufügen. Einige Augenblicke im Kühlen ruhen lassen.
Die Madeleine-Formen mit Butter einfetten und mit Mehl bestäuben. Den Teig mit Hilfe eines Spritzbeutels oder eines Löffels einfüllen. Bis zu zwei Drittel auffüllen. 10 bis 15 Minuten im heißen Backofen bei 210 °C (Stufe 7) backen.

 

Madeleines gibt es natürlich auch abgepackt im Supermarkt. Aber da kann man eigentlich nur eines sagen: Lasst es bleiben, zumindest wenn Ihr den echten Madeleine-Geschmack erleben wollt!

 

Und für diejenigen, die kulinarischen Genuss gerne mit künstlerischem verbinden - hier noch ein Haiku von Hella Neukötter:

 

 

paradise lost

 

madeleine in memoriam

albertine zum tee

vergebliche liebesmüh

 

 

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